Viel Aufmerksamkeit für Plakataktion “Die Pampa lebt!”
Mehr als neun Wochen standen die großen Plakate des Projektes „Die Pampa lebt – Hellersdorf als Großwohnsiedlung gestern, heute und morgen“ im Stadtteil rund um den Boulevard Kastanienallee – Anstoß für Ideen und Diskussionen.
Seit März 2019 sammelt eine Gruppe von Anwohner*innen mit dem Künstlerpaar Eva Hertzsch und Adam Page von der station urbaner kulturen Dokumente, Fotos und Statements, inzwischen mehr als 300. Es geht darum, zu erforschen, wie es war und wie es ist, in Europas größtem zusammenhängenden Plattenbaugebiet zu leben und zu arbeiten. Ein Teil des Projektes ist die Visualisierung der aktuellen Situation und der Ideen auf großen Plakatwänden. Sie machten deutlich: Der Stadtteil kämpft mit vielen Problemen.
Eines der Plakate stand am Alice-Salomon-Platz. Dort, in der Mitte von Hellersdorf, prallen Gestern und Heute zusammen: die alten DDR-Plattenbauten und die Nachwendegebäude der Hellen Mitte. Wie ließe sich die Entwicklung dieses Stückchens Bezirk besser erklären als auf einer Führung? Insgesamt fünf davon haben die Projektbeteiligten angeboten, mal mit zwei Teilnehmenden, mal mit 30 – coronoabedingt aufgeteilt auf mehrere Gruppen. Mit dabei auch Adam Page. Auf diesen Rundgängen konnte er exemplarisch zeigen, wie sich der Stadtteil veränderte und welche Planungsansätze es für die jeweilige Phase der Stadtentwicklung gab. Der Brunnen am Beginn des Boulevards wurde 1993 eingeweiht, damals war der Boulevard noch eine Einkaufsmeile. 1998 zog die Alice-Salomon-Hochschule nach Hellersdorf, zur Expo 2000 entstand der Baukasten am U-Bahnhof Hellersdorf. Mit dem Programm „Stadtumbau Ost“ wurde zwischen 2003 und 2009 der Alice-Salomon-Platz gestaltet und der Regine-Hildebrandt-Park angelegt.
Bildungscampus am Alice-Salomon-Platz
Das Plakat vor dem Rathaus wurde wie die anderen auch im Laufe von vier Wochen Stück für Stück vervollständigt. In der ersten Woche war die Hochschule zu sehen, zu der sich gleich nebenan die VHS gesellt hatte. Die Straße, die den Platz zerteilt, war aufgebaggert. In der vierten Woche standen zwei große Pavillons auf dem Platz.
„Das Areal rund um den Alice-Salomon-Platz ist noch nicht zu Ende gebaut und zu Ende gedacht“, sagt Adam Page, „das haben wir in der Gruppe oft besprochen. Solche öffentlichen, unbenutzten Räume brauchen gewissermaßen eine Schockgestaltung, damit die Leute sie wahrnehmen.“ Weniger Schock, dafür mehr Denkanstoß ist die Platzierung der VHS neben des ASH. So soll ein Bildungscampus entstehen für jedermann.
Die beiden Pavillons stehen auf Stelzen, Vorbild war die „WohnTheke“ am U-Bahnhof. Unter den Stelzen könnte ein Café Platz finden und so die Abschottung der ASH zum Platz hin aufbrechen. Eigentlich sollten sich Studierende und Anwohnende in der Cafeteria in der ASH treffen, das hat aber nicht funktioniert. Mit den Pavillons als „haus urbaner kulturen“ sollen auch mehr kulturelle Angebote in die Helle Mitte kommen. „Die Idee ist übrigens nicht neu“, betont Adam Page, „wir haben alte Entwürfe von 1987 gefunden, da sollte dort ein Freizeitforum gebaut werden.“ Die Projektgruppe von „Die Pampa lebt“ würde gerne einen Runden Tisch organisieren mit Akteuren und dem Bezirksamt. Das arbeitet bereits an der Entwicklung des Platzes. Der Runde Tisch würde Planer und die Bewohner*innen zusammenbringen und alle Ideen und Vorschläge transparent machen.
Ein Hochhaus am Cottbusser Platz
Der Bau eines Hochhauses sorgt meist für Diskussionen, das zeigte sich auch am Neubauprojekt im Quartier. Für die Grünfläche am U-Bahnhof Cottbusser Platz schlägt die Projektgruppe aber gerade dort ein Hochhaus vor, wie auf einem Plakat zu sehen. Das beansprucht bei gleicher Wohnfläche weniger von dem Grün als mehrere kleinere Häuser. Die Fläche hat der Bezirk sowieso als Bauland vorbehalten. Die Projektgruppe würde sich für die Diskussion darüber aber mehr Beteiligung der Anwohnenden wünschen, die fehle bisher, meint Adam Page. In einem Sommerferienworkshop haben Kinder sich Gedanken gemacht, wie das Areal genutzt werden könnte. Die Ideen reichten von Schwimmbad bis Prinzessinnenschloss. Ein Schloss zu bauen hat in Berlin schon einmal zu Kontroversen geführt, ein Schwimmbad würde allerdings im Bezirk sicher breite Zustimmung finden.
Gleich daneben wird eine andere Vision vorgestellt – die Gestaltung des Kienberges. Zugegeben, da war viel künstlerische Freiheit im Spiel, aber auch das ist wichtig, wenn es darum geht, Visionen zu entwickeln.
Ein Brunnen für den Kiez
Noch herrscht in der Mitte des Stadtteils rege Bautätigkeit, da fällt es etwas schwer, sich vorzustellen, wie sie zukünftig aussehen könnte. Schon lange beschäftigt sich die Projektgruppe mit dem trockengelegten Landschaftsbrunnen am Boulevard Kastanienallee. Gemäß der Vision der Gruppe soll er an den Zentralen Platz vor den Neubauten verlegt werden und wieder Wasser sprudeln, zur Freude der Anwohnerschaft und insbesondere der Kinder. Wie das geschehen soll und wie vor allem die Wasserversorgung gesichert werden kann, wurde schon nachgedacht. Aber da braucht es noch viel Diskussion mit den betroffenen Wohnungsgesellschaften und den Verantwortlichen im Bezirk.
Der Platz braucht auch einen Namen. Da gibt es allerdings schon einen Vorschlag: „Wilde-Matilde-Platz“. Der kommt nicht von ungefähr. Das benachbarte Frauenzentrum hat sich nämlich nach dem gleichnamigen Song der einstigen Kultband „Silly“ benannt und findet die Idee gut.
Neben Wohnungen ist in den Neubauten auch ein Nachbarschaftszentrum vorgesehen. Ein Träger ist bereits gefunden, nun wird sich eine Arbeitsgemeinschaft aus Bewohner*innen und Akteuren aus dem Stadtteil mit der Ausgestaltung beschäftigen. Das Plakat gleich neben der Baustelle zeigt, wie es aussehen könnte. „Für uns ist es nicht nur ein soziales Projekt, sondern auch ein künstlerisches“, betont Adam Page, „wir haben uns beispielsweise mit der Außenfassade beschäftigt. Als Vorbild diente uns das Bezirkliche Informationszentrum BIZ am Kienberg mit diesen goldfarbenen, diagonal geknickten Flächen. Das war in der DDR in den 1970-er Jahren ein beliebtes Gestaltungselement für öffentliche Gebäude und das wollten wir wieder aufgreifen. Das könnte wir uns auch generell für alle bezirklichen Kultureinrichtungen vorstellen, wegen des Wiedererkennungseffektes.“
Natürlich sind nicht alle Ideen genauso umsetzbar, das wissen die am Projekt Beteiligten. Aber sie wollen Denk- und Diskussionsanstöße geben und vor allem die Bürger*innen mehr einbeziehen. Denn so können sie sich viel mehr mit dem Stadtteil, in dem sie leben, identifizieren, ihn mitgestalten und weiterentwickeln.
„Die Pampa lebt – Hellersdorf als Großwohnsiedlung gestern, heute und morgen“ ist ein Projekt der station urbaner kulturen/nGbK Hellersdorf. Es wird mit Mitteln aus dem Programm „Sozialer Zusammenhalt“ (ehem. Soziale Stadt) gefördert sowie vom Amt für Weiterbildung und Kultur Marzahn-Hellersdorf unterstützt.