Anne Haedke verabschiedet sich – das Erzählcafé geht weiter
Es ist schon zu einer guten Tradition geworden: Jeden ersten Dienstag im Monat trifft sich eine Runde im Stadtteilbüro zum Erzählcafé. Damals 2017, als alles anfing, baute Anne Haedke das erste Mal einen Beamer auf, kochte Kaffee und stellte Kekse auf den Tisch.
Ausgangspunkt der Gespräche war die Langzeitdokumentation „Die Kinder von Golzow“, in der die Lebenswege einer Schulklasse von 1961 bis 2007 mit der Kamera begleitet wurden. Anne Haedke wählte kleine Szenen aus und die Teilnehmenden tauschten sich darüber aus. Wie war das damals in der Schule, zu Hause, in den Betrieben? Habe ich das auch so erlebt? Sie hatten auch zweimal das Filmemacherehepaar Barbara und Winfried Junge zu Gast, die von den Dreharbeiten erzählten.

Erzählcafé mit Anne Haedke (re.) im Jahr 2017.
Anne Haedke war sich anfangs gar nicht so sicher, ob das, was sie sich überlegt hatte, auch funktionieren würde. Aber das hat es, drei Jahre lang. In dieser Zeit organisierte Anne Haedke auch das Erzählcafé-SPEZIAL, bei dem Bewohnerinnen und Bewohner mit Geflüchteten zusammenkamen. Diese nutzen die Gelegenheit, ihre Deutschkenntnisse anzuwenden und über ihre Länder und Kulturen zu reden, während die Alteingesessenen aufmerksam zuhörten. Sie hatten wiederum so manchen Tipp parat, wie das Leben hier in Deutschland und speziell in Hellersdorf funktioniert.

Erzählcafé SPEZIAL am 11. September 2020 im Rahmen der “Interkulturellen Wochen” in Marzahn-Hellersdorf.
Im Erzählcafé sollte nach drei Jahren etwas Neues her. Aber bevor es so richtig losgehen konnte, kam Corona und dann auch noch der Wasserschaden, der das Stadtteilbüro für längere Zeit unbenutzbar machte. Inzwischen hatte sich ein „harter Kern“ von Teilnehmenden herausgebildet, die immer dabei waren. In dieser schwierigen Zeit wuchs die Gruppe zusammen. Gemeinsam wurde überlegt, welche Themen könnte man jetzt angehen, eigentlich müsste man doch nun nach vorn schauen. Die älteste Teilnehmerin machte dann einen Vorschlag: Sie kommen aus dem Westen, wir aus dem Osten, warum tauschen wir uns nicht über unsere – sicherlich – unterschiedlichen Lebenserfahrungen aus? Darüber entspann sich eine rege Diskussion über das Leben von Frauen, über ihre Rechte wie Berufswahl, Scheidung, Abtreibung. Errungenschaften, für die im Westen zum Teil noch gekämpft wurde und die im Osten selbstverständlich waren. „Das war wirklich sehr erhellend“, erinnert sich Anne Haedke, „für beide Seiten“. Dann tauschten sie sich aus, wie jeder von ihnen über die Wende gekommen ist. Dabei wurde auch sehr viel Persönliches erzählt. „Wer zuhört, versteht den anderen und auch sich selber besser“, ist sie überzeugt. Und so kam es auch. In der Runde gab es so manches schöne Aha-Erlebnis.
Als sie sich wieder im Stadtteilbüro treffen konnten, brach der Krieg in der Ukraine aus. Es war für die meisten schwer zu verstehen, deshalb sahen sie sich Videos mit Hintergrundinformationen an und sprachen darüber.
Im Februar 2023 feierte das Erzählcafe seinen 6. Geburtstag. Anne Haedke wird am 7. März, 14 Uhr, das letzte Mal das Erzählcafé leiten. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge, wie sie sagt. „Ich fand das unheimlich gut, wie viel wir voneinander gelernt haben, ich wahrscheinlich am meisten von allen. Ich werde wohl etwas wehmütig, wenn ich mich von der Gruppe verabschiede. Aber sie wollen weitermachen und darüber freue ich mich.“ Das Erzählcafé findet also auch weiterhin jeden ersten Dienstag von 14.30 – 17.00 Uhr im Monat im Stadtteilbüro (Stollberger Straße 33) statt: 4. April, 2. Mai…