Geschichten aus der “Gummistiefelzeit”
Am 5. Februar war es wieder so weit – das Stadtteilbüro verwandelte sich in das monatliche Erzählcafé. Stühle wurden hingestellt, der Beamer verkabelt und Kaffeetassen auf dem Tisch verteilt. Diesmal kamen noch zwei Teller mit frischgebackenen Kuchen aus dem „KastanienNest“ dazu, denn es hatte sich Besuch angesagt. Petra Pau, die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, setzte sich dazu.
Seit 2016 gibt es das Erzählcafé, das durch den Aktionsfonds gefördert wird. Sonst werden dort immer Ausschnitte aus der Langzeitdokumentation „Die Kinder von Golzow“ gezeigt und dann entwickeln sich daraus interessante Gespräche. Diesmal hatte eine Teilnehmerin einen kleinen Film von der Eröffnung des U5-Abschnitts vom Tierpark bis Elsterwerdaer Platz von 1988 mitgebracht. Schon beim Ansehen hieß es in der Runde: „Wo war das denn?“ oder “Ach, das sieht ja heute ganz anders aus.“ Direkt dabei war keiner der Anwesenden, aber sie kannten noch gut die „Zeit der Gummistiefel“, als sie mit ihren Familien einzogen und überall noch gebaut wurde. Waren vorher die Busse immer voll, konnten sie nun bequem bis ins Zentrum im Ostteil der Stadt fahren.
Auch Petra Pau erinnerte sich. Geboren in Berlin, arbeitete sie als Lehrerin, studierte dann noch einmal in der Provinz und kehrte wieder zurück, in eine Einraumwohnung nach Hellersdorf. „Ich weiß noch, dass ich in der Turnhalle einkaufen ging, weil die Kaufhalle noch nicht fertig war.“ Und schon sprudelten bei den Cafégästen die Anekdoten nur so heraus. Ungläubiges Staunen, als eine von den „Storchen-Bussen“ erzählte. Das waren Zubringer zu den U-Bahnhöfen und ohne Sitze, damit möglichst viele Kinderwagen Platz hatten. Da einige der Zuhörer aus dem Westteil Berlins kamen, gab es immer wieder Nachfragen. Zum Beispiel, warum sich viele Absolventen nicht aussuchen konnten, wo sie nach dem Studium arbeiten wollten.
Von 1988 war es dann nicht weit bis zur Nachwendezeit. Und so wurde die Bundestagsvizepräsidentin gefragt, wie sie den Umbruch erlebt hat. Ungläubige Gesichter, als sie erwähnte, dass sie den Mauerfall „verschlafen“ habe, weil sie früh zu Bett ging. Schmunzeln in der Runde, als sie von ihrer Arbeit in der bezirklichen „Namensfindungskommission“ erzählte. So mancher Straßenname wurde getilgt, nun mussten aber welche her, mit dem sich viele anfreunden konnten. Dazu las sie eine Passage aus ihrem Buch „Gottlose Type“ vor.
Es dauerte nicht lange, da war die Diskussion in der Gegenwart angekommen. Gefragt nach den Veränderungen im Parlament wurde sie ernst. „Klimaänderungen beim Umgang miteinander sind Ausdruck gesellschaftlicher Veränderungen“, sagte sie, „wir haben das auch hier im Bezirk erlebt, damals bei der Einrichtung der Gemeinschaftsunterkünfte.“ Deshalb sollte jeder etwas dagegen tun, überall, betonte sie,um dem Einhalt zu gebieten.
Die Zeit war schnell herum und eigentlich hätte es ja noch so viel zu erzählen gegeben. Deshalb wurde ein weiteres Treffen vereinbart. Sie komme gerne wieder, versprach Petra Pau.
Was? | Erzählcafé |
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Wann? | 05.03.19, 02.04.19, 07.05.19, 04.06.19, 15 Uhr |
Wo? | Stadtteilbüro, Stollberger Straße 33, 12627 Berlin |