Zehn Jahre Gemeinschaftsunterkunft im Quartier
Am 9. Juni 2023 trafen sich Bewohner*innen und Aktive aus dem Kiez, um an die Einrichtung der Gemeinschaftsunterkunft an der Maxie-Wander-Straße vor zehn Jahren zu erinnern und sich bei Kaffee und Kuchen auszutauschen.
Viel ist ja passiert in den zehn Jahren. Barbara Jungnickel von der evangelischen Kirchengemeinde Hellersdorf kann sich noch gut an die bewegte Anfangszeit erinnern. Es fing mit der Anfrage des damaligen Bürgermeisters an, der einen Raum suchte für eine Informationsveranstaltung zur Einrichtung einer Flüchtlingsunterkunft, erinnert sie sich. Ja, das ginge. Aber dann posteten Rechte in den sozialen Medien, man könne dort gegen die Einrichtung stimmen. Zusammen mit der Polizei war man sich dann schnell einig, dass so die Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden könnte und verlegte die Veranstaltung auf den Schulhof der Schule am Rosenhain. Zudem gab es Anfeindungen gegenüber der Kirche, weil die einen die Meldungen missverstanden und die anderen ihnen übelnahmen, dass sie die Falschmeldungen dementierten.
Die Versammlung schockierte Barbara Jungnickel: „So etwas hatte ich noch nie erlebt, rund 800 Leute waren da. Man hat schnell gemerkt, viele kamen gar nicht aus Hellersdorf. Die Leute auf dem Podium hatten keine Chance, etwas zu erklären, sie wurden dauernd von absurden Wortmeldungen unterbrochen: Es gäbe keine Spielplätze, aber ein Flüchtlingsheim oder dann würden alle Kinder vergewaltigt. Auch Teilnehmende, die als linksorientiert bekannt waren, wurden bedroht.“ In den Wochen danach gab es immer wieder Aufmärsche in den Straßen und vor der Unterkunft. Aber es bildeten sich auch Gegeninitiativen wie „Hellersdorf hilft!“. Es gab viele Aktionen und Aufkleber der Rechten wurden entfernt. Barbara Jungnickel weiß noch, wie sie eine Kette von der Hellen Mitte bis zur Gemeinschaftsunterkunft gebildet hatten, um Sachspenden weiterzuleiten. Mitglieder der Kirchengemeinde haben mit geflüchteten Kindern gebastelt und die Familien zum Kaffeetrinken eingeladen. Das wurde dankbar angenommen, sagt sie. Daraus entstand auch die Idee für das „Café auf Rädern“. „Der Gesprächsbedarf war einfach groß. Und es war eine gute Möglichkeit, die Nachbarschaft kennenzulernen und mit den Zugezogenen ins Gespräch zu kommen.“
Carola Rümper verbindet mit der Gemeinschaftsunterkunft „viele tolle Nachmittage, an denen ich mit den Kindern Projekte gemacht habe wie Kunst- und Malworkshops.“ Die Künstlerin vom „mp43“ schätzt auch die zahlreichen Begegnungen auf dem Boulevard, der ja durch die Gemeinschaftsunterkunft sehr international geworden ist, wie sie sagt. Derzeit ist sie dabei, im Rahmen des Projektes „playground – es wird weitergespielt“ (Programm Sozialer Zusammenhalt) internationale Spiele zu sammeln, auch in der Gemeinschaftsunterkunft. Im Herbst kann diese dann jede*r auf dem Boulevard Kastanienallee ausprobieren.
Solche Erlebnisse hat aber nicht jede*r im Kiez. Eine Bewohnerin erzählte, sie hätte keine Kontakte zur Gemeinschaftsunterkunft, war aber mal dort beim öffentlichen Fastenbrechen im Ramadan. Deshalb ist es wichtig, Begegnungen zu schaffen, um sich kennenzulernen. Die nächste Gelegenheit wäre das große Sommerfest am 25. August von 14 bis 18 Uhr auf der Grünfläche an der Maxie-Wander-Straße.
Auch für die Gemeinschaftsunterkunft war es wichtig, sich nach außen zu öffnen. Es gab Vernetzungstreffen und Einladungen an Schulen und Einrichtungen zur Zusammenarbeit. Studierende der Alice Salomon Hochschule haben Projekte gemacht, ebenso wie die Prinzessinnen Gärten mit ihren mobilen Beeten oder die Spielplatzinitiative mit dem Bau eines Fußballfeldes. Seit einigen Jahren ist die Musikschule in der Unterkunft sehr engagiert, bietet Musikunterricht an und organisiert Auftritte für die Kinder im Bezirk. Auch an der Vorbereitung des Sommerfestes, das ja direkt vor der Haustür stattfindet, ist die Gemeinschaftsunterkunft seit Jahren beteiligt. Feiertage der überwiegend muslimisch geprägten Bewohnerschaft werden im Kiez gefeiert, wie das Fastenbrechen oder das Nouruz-Fest. Auch beim multikulturellen Kochen im „Maxie-Treff“ sind Menschen aus der Unterkunft dabei. Wenn es ums Saubermachen geht, vor allem auf der Brachfläche an der Maxie-Wander-Straße, sind die Kinder mit großem Eifer dabei. Im Sommer wird dort auf der selbst gebauten Anlage Cricket gespielt, was auch zur Popularität dieser Sportart im Bezirk beigetragen hat. Gut besucht waren auch immer die Sprach-Cafés im Quartier, wo es einen regen Austausch gab. Geflüchtete lernten viel über das Leben in Deutschland und bei den „Einheimischen“ konnte so manches Vorurteil abgebaut werden. Das große Wandbild im Stadtteilbüro entstand übrigens auch in einer der Kunstaktionen mit Kindern aus der Unterkunft. Dafür sind deren Bewohnerinnen und Bewohner dankbar und so war es keine Frage, dass sie im ersten Coronajahr Schutzmasken für alle genäht haben.
Die Veranstaltung wurde gefördert mit Mitteln aus dem Programm Sozialer Zusammenhalt (Projektfonds).