Neue Ausstellung: „Silver Tower Pavilion“
Am 26. Juli 2024 öffnet um 18 Uhr die neue Ausstellung „ Silver Tower Pavilion“, kuratiert von Jochen Becker, in der station urbaner kulturen am Auerbacher Ring 41. Zu sehen sind Arbeiten des Fotokünstlers Matthias Hoch. Dazu gibt es eine Einführung von Oliver Elser vom Deutschen Architektur-Museum in Frankfurt am Main im Dialog mit dem Künstler.
Auf dem „Place Internationale“, der Grünfläche an der Maxie-Wander-Straße, steht seit diesem Sommer das „Klassenzimmer der Zukunft“, ein temporärer Raum für die station urbaner kulturen/nGbK Hellersdorf. Ein ehemaliger Messepavillon dient hier als Ausstellungsraum und Bildungsort für verschiedene Kooperationen von Anwohnenden, Kunstschaffenden, Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden. Die stattfindenden Angebote zur Umweltbildung und interkulturellen Bildung werden aus Mitteln des Programms “Sozialer Zusammenhalt” gefördert.
Bis 15. September ist die Ausstellung „LABORSCHULE BERLIN“ im Pavillon zu sehen, jeweils Donnerstag und Samstag, von 15 bis 19 Uhr. Passend zur 70er-Jahre-Formsprache des Pavillons geht es in der Ausstellung um die mit jener Zeit verbundenen Bildungsutopien: die Schule als Gesellschaft im Kleinen und Bildung für alle.
Der Leipziger Fotokünstler Matthias Hoch hat nun mit seiner zweiteiligen und ortsbezogenen Fotoarbeit „Silver Tower Pavilion“ die Geschichte des legendären Messepavillons speziell für diese Situation herausgearbeitet. Mit seiner Schaufensterpräsentation (Slideshow, Leuchtkasten) und sechs Foto-Billboards auf der Grünfläche verbindet er station, Platz und Pavillon – rund um die Uhr.
Open-Air-Kino
Am 15. August gibt es ab 21 Uhr Carl Schenkels „Abwärts“ von 1994, auf dem „Place Internationale“ zu sehen. Dort wird dann am 7. September ab 21 Uhr „Unter dir die Stadt“ von Christoph Hochhäusler gezeigt, in Anwesenheit des Regisseurs.
Zur Berliner „Art Week“ ist Matthias Hoch am 14. September, 16 Uhr, auf dem „Place Internationale“.
Space Age
Der grüne Kunststoff-Pavillon wurde 1971 von Heinz Scheid und Hansgeorg Beckert (ABB Architekten) parallel zum neuen Corporate Design des Designers Otl Aicher für die Dresdner Bank und ihren neuen „Silberturm“ in Frankfurt am Main entworfen – dem bis 1990 größtem Hochhaus Deutschlands. Softe Formensprache und der eingeschriebene Aufbruchswille setzten dabei neue Maßstäbe. Für den Silberturm gilt: Offene Bankzonen, Großraumbüro-Landschaften, Mitarbeitendenschwimmbad im obersten Stock, durchgängig Kunst sowie hochwertige Gestaltung und Möbelsysteme auch im Inneren und ein abgerundetes und leicht schwebendes Erscheinungsbild brachen tief in das Bahnhofsviertel ein. Die ikonischen Aluminium-Fassadenteile wurden von einem Karosseriebauenden angefertigt.
Die Dresdner Bank besaß eine umfangreiche Kunstsammlung, die einerseits in der Öffentlichkeit gezeigt wurde, andererseits Teil einer Anlagestrategie war. Der Platz vor dem „Silberturm“ erinnert an deren Vorstandsvorsitzenden Jürgen Ponto, der 1977 von der RAF getötet wurde. Das Gebäude diente 1984 als Kulisse für den deutschen Actionfilm „Abwärts“ und als Kamerastandpunkt für Christoph Hochhäuslers „Unter dir die Stadt“ von 2010.
Wirtschaftswunder/Moderne
ABB Architekt*innen gelten als wichtigste Architekt*innen der Nachkriegszeit in Frankfurt und haben neben dem „Silberturm“ auch die Bundesbank, die abrissgefährdeten Städtischen Bühnen, das Hotel Interconti, die erste Römerberg-Bebauung, das Nordwest-Zentrum sowie als Hausarchitekt*innen zahlreiche Flughafengebäude entworfen und gebaut. Der Firmen-Fotograf Ufert Beckert setzte die ikonischen Gebäude präzise in Szene.
Bis 1983 stand der Pavillon auf dem Gelände der Messe Frankfurt und diente dort als Servicecenter für die Kundschaft der Bank. Nach verschiedenen Zwischennutzungen erwarb die nGbK den inzwischen in Teilen veränderten Pavillon und baute ihn gemeinsam mit dem Bildungsverein Bautechnik, Schülerinnen und Schülern der Knobelsdorff-Schule und der ansässigen Konrad-Wachsmann-Schule in Hellersdorf auf. Mit der Wiederherstellung des Pavillons setzt sich die nGbK für Wiederverwertung und Umbau anstatt Abriss und Entsorgung ein.
Nach Milliardenverlusten wurde die Dresdner Bank 2009 von der Commerzbank übernommen. Damit war das Schicksal des Silberturms als Bankensitz besiegelt. Nach aufwändiger Entkernung und Sanierung wird das Gebäude unter dem Markennamen „Silberturm“ bis heute an die Deutsche Bahn vermietet. Die Komplettsanierung erfolgte durch das Frankfurter Architekturbüro Schneider+Schumacher.
Der Fotograf Matthias Hoch begleitete mit einer künstlerischen Dokumentation die Abbruchzeit. Ihn interessierte die Erkundung des Leerstandes, die Hinterlassenschaften einer Ära, die Biografie des Ortes. Der 1958 in Radebeul geborene Künstler hatte an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) und später in Essen studiert und an der HGB auch gelehrt. Seine Farbaufnahmen von Bahnhöfen der DDR sowie der Boom-Gebäude nach der Wende sind in zahlreichen Büchern dokumentiert. Die Fotoarbeiten, aufgenommen mit Mittel- oder Großformatkamera, präsentieren die Motive auf sachliche Weise und sind von einem schon damals großen Bildformat geprägt.
Fortschritt als Katastrophe: Die schöne Bauruine des „Silberturms“ zeigt parallel zum Industrieverfall in den „Neuen Bundesländern“ eine Parallelwelt des Niedergangs der alten Bundesrepublik. Das dokumentarisch-künstlerische Projekt „Silver Tower“ (2009-11) erzählt vom Ende des kapitalistischen Wohlfahrtsstaates, mit Kraterspuren auf dem grauen Teppich, wo einst noch Möbel und Menschen standen. Von 2017 bis 2020 erkundete Matthias Hoch den halbfertigen, noch funktionslosen Hauptstadtflughafens Berlin Brandenburg (BER) als eine Dauer-Ruine der Berliner Republik. Der Bau blieb lange ein unvollendetes Großprojekt im Wartezustand.
station urbaner kulturen | nGbK Hellersdorf
Auerbacher Ring 41, 12619 Berlin
Eingang Kastanienboulevard
Schaufensterpräsentation und Billboards: rund um die Uhr
Pavillon: Do + Sa, 15-19 Uhr
Eintritt: frei
„Place Internationale“ und Pavillon
Maxie-Wander-Str. 79, 12619 Berlin
nGbK-Projektgruppe station urbaner kulturen: Jochen Becker, Eva Hertzsch, Margarete Kiss, Constanze Musterer, Adam Page, Ralf Wedekind mit Juan Camilo Alfonso Angulo