Erzählcafé „SPEZIAL“ – Start einer neuen Reihe?
Am 27. September 2019 war die Nachbarschaft rund um den Boulevard Kastanienallee zum Erzählcafé „SPEZIAL“ ins LaLoKa an der Schneeberger Straße 17 eingeladen und viele kamen. So viele, dass noch Stühle aus dem Stadtteilbüro herangeschafft werden mussten.
Es war eine Sonderveranstaltung im Rahmen des von Anne Haedke initiierten Erzählcafés, das seit zwei Jahren jeden 1. Dienstag im Monat erfolgreich läuft. Das LaLoKa war als Veranstaltungsort gewählt worden, weil sich dort nicht nur Bewohner*innen mit Migrationshintergrund treffen, sondern auch manch Alteingesessener vorbeischaut, um zum Beispiel die kostenlosen Internetarbeitsplätze zu nutzen.
An dem Freitagabend ging es darum, ins Gespräch darüber zu kommen, wie es sich lebt im Kiez rund um den Boulevard Kastanienallee und wie das Zusammenleben von alter und neuer Nachbarschaft funktioniert. Chu Eben, der Leiter des LaLoKa, stellte die Einrichtung und das Team kurz vor. Er betonte, wie wichtig es sei, dass insbesondere Geflüchtete dort einen Ort haben, wo sie sich treffen und austauschen können, wo sie erfahren, wie die deutsche Zivilgesellschaft funktioniert, und wo sie ihre deutschen Sprachkenntnisse verbessern können. Künftig soll mehr für Kinder angeboten werden, einen Familientag jeden Dienstag gibt es schon. Das Erzählcafé „SPEZIAL“ sei der erste Schritt, dass die Nachbarschaft aufeinander zukommen kann.
Ankommen in einem neuen Land und einer neuen Kultur
Delschad Numan Khorschid, der Betreuer des „KastanieNests“ vom Träger Kids und Co und Ideengeber der Veranstaltung, erzählte, wie er vor 16 Jahren nach Deutschland kam, wie er mit der deutschen Sprache kämpfte, das erste Mal Schnee sah und berührte: „Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie das war.“ Auch mit den anderen Sitten und Gebräuchen und dem Umgang von Mann und Frau miteinander hatte er anfangs Schwierigkeiten. Auch heute noch würde er Sachen entdecken, die ihm fremd seien, sagte er und fügte hinzu: „Wir kennen die Kultur hier nicht, aber uns kennt die Kultur hier auch nicht. Wir haben ein archaisches Familienbild, Familie heißt für uns Kultur. Sich davon zu trennen und ein neues Leben in einem anderen Land aufzubauen ist schwierig.“ Darauf meldete sich ein Mann zu Wort und gab zu bedenken, dass in Afghanistan seit 40 Jahren Krieg herrscht, der viele Menschen traumatisiert und psychisch belastet hat.
Sprache ist Schlüssel zur Integration
Delschad bekräftigte, es liege an jedem selbst, seine Zukunft zu gestalten. Deshalb sei zum Beispiel Bildung und die Sprache lernen so wichtig. Er sieht es als Glück an, dass er Schauspiel studieren konnte und demnächst zu einem Engagement nach München gehen wird. Ein anderer Mann, der seit vier Jahren im Wohnheim lebt, möchte gerne die Sprache besser lernen und in eine Wohnung ziehen, aber er hat nur eine Duldung, das sei schwierig. Francisco Cárdenas Ruiz, der Koordinator für Flüchtlingsfragen beim Bezirksamt, hob hervor, dass die Geflüchteten auf ihrem langen Weg verschiedene Sprachen gelernt haben – türkisch, griechisch – das sei doch ein großes Potenzial. Ja, sie habe auch im Ausland gelebt und musste die Sprache lernen, bestätigte eine der Teilnehmer*innen des Erzählcafés, die sich einmal im Monat im Stadtteilbüro treffen. Sprache sei einfach der Schlüssel zur Integration.
Wer macht mit?
Dass das aber manchmal schwierig sein kann, erzählte eine Frau aus Afghanistan. In ihrer Heimat musste sie sich verschleiern, hier sei sie frei. Sie suchte lange nach einem Sprachkurs, fuhr dafür extra nach Schöneberg. „Jeden Tag habe ich zehn Vokabeln gelernt“, sagte sie stolz. Sie hilft nun anderen Frauen beim Spracherwerb. Einige Bewohner*innen der Gemeinschaftsunterkunft wünschten sich mehr deutsche Besucher*innen im LaLoKa, um sich mit ihnen auf Deutsch zu unterhalten. In den Sprachkursen werde oft nur auf Grammatik wert gelegt, das sei für den Alltag oder bei Behördengängen jedoch wenig hilfreich. Eine junge Frau, die derzeit in Elternzeit ist, sucht Möglichkeiten, um ihrem Hobby Malen nachzukommen. Wieder andere könnten Hilfe beim Ausfüllen von Anträgen und Formularen gebrauchen. Eine der deutschen Besucherinnen bot spontan an, zum Deutsch lernen im LaLoKa vorbeizuschauen, eine andere würde versuchen, einen Kunstkurs zu finden. Herr Nord, Sprecher des Quartiersrates, will auch helfen, die Interessen der neuen Nachbar*innen zu vertreten.
Nach zwei Stunden mussten sich die Ersten zur familiären Kinderbetreuung verabschieden. Fazit aller Beteiligten: Es war ein guter Anfang und die Chance, mit dem Erzählcafé „SPEZIAL“ ein neues und wichtiges Angebot im Quartier zu installieren.
Das LaLoKa an der Schneeberger Str. 17, Eingang über den Boulevard, bietet für alle Bewohner*innen täglich von 15 bis 20 Uhr ein kostenloses Internetcafé, in dem auch ausgedruckt werden kann. Es gibt Computerkurse am Dienstag, ein Sprachcafé am Mittwoch um 15.30 Uhr und Seminare und Workshops am Freitag, die Themen können direkt im Laden erfragt werden. Geflüchtete können sich montags ab 11 Uhr beraten lassen, wenn es um Probleme geht bei Antragstellungen oder Behördengängen. Sie können täglich auch TV-Sendungen und Videos aus ihren Heimatländern sehen.