Ein Einhorn in Hellersdorf
Anfangs war es etwas widerwillig, dann aber gelang es doch mit vereinter Kraft, es aufzurichten – das Einhorn auf der Siegessäule auf dem „Place International“ am Cottbusser Platz. Der weiße Pferdekopf mit dem goldenen Horn thronte weithin sichtbar auf einer Säule, die der Colonne Vendôme in Paris nachempfunden war. Gustave Courbet, der Hauptvertreter der realistischen Malerei in Frankreich im 19. Jahrhundert und Mitglied der Pariser Kommune, hatte das schon im Mai 1871 mit ebendieser Colonne gemacht. Er wollte ein politisches Zeichen setzen gegen die napoleonische Ära, die sich in dem Bauwerk selbst feierte. Sie war damals der Säule des Trajan in Rom nachempfunden worden. Ein Fries mit Darstellungen von Schlachten und Siegen wand sich um den knapp 27 Meter hohen Säulenschaft.
Auch um die Säule auf dem Place International windet sich ein Fries, aber den haben Kinder und Jugendliche aus dem benachbarten Jugendklub U5 und dem Melanchthon-Gymnasium gestaltet, zusammen mit der AG Kunst im Untergrund und den Kunstschaffenden Ulrike Dornis, Martin Eggenfellner, Katja Renner, Zuzanna Skiba und Ole Tietjen. In künstlerischen Workshops mit dem Titel „Teilhabe und Governance“, etwa mit Regierungsgewalt zu übersetzen, beschäftigen sie sich mit Gustave Courbet und seiner Idee. Sie selber stellten Szenen nach, die sie aus ihrem Alltag kannten, und fotografierten oder malten diese ab. Das Farbkonzept für den Sockel stellt die unterschiedlichen Farbnuancen menschlicher Haut dar.
Das Einhorn steckt übrigens in einem Nutellaglas. Das Fabeltier steht für das Gute, die Fantasie, und Nutella scheint wohl für die Kids das höchste der Gefühle darzustellen.
Am Fuße des Sockels hatten die Künstlerinnen Ellen Nonnenmacher und Eva Randelshofer ihr Projekt „Wildwuchs & Ordnung“ aufgebaut. Künstlerisch gestaltete Pflanzkübel, gefüllt mit Erde, warteten darauf, mit Samen bestückt zu werden. Den gab’s gleich dazu. Wer wollte, konnte auch gleich selber noch einen Kübel aus Textiltaschen und Fließbeton herstellen. Aber die meisten begnügten sich damit, die Samen einzupflanzen. Besonders eifrig waren die Kinder. Die Kübel bleiben vorerst auf der Brache vor dem U-Bahnhof Cottbusser Platz. Sie können aber auch mitgenommen und vor der Haustür oder auf dem heimischen Balkon oder irgendwo im Bezirk aufgestellt werden. Am 22. April, 6. und 20. Mai, 17. Juni und 15. Juli werden im Pavillon vor der alten Kaufhalle in Sichtweite der station urbaner kulturen neue Pflanzkübel hergestellt, jeweils von 15 bis 19 Uhr.
Nach gut einer Stunde wurde die Säule wieder umgestürzt und erneut leistete der Pferdekopf etwas Widerstand. Während sich die Zuschauerinnen und Zuschauer bei Kaffee, Kuchen, Suppe und belegten Brötchen stärkten, wurde die Säule sicher verpackt. Sie wird dann hervorgeholt, wenn es auf dem „Place International“ wieder eine Veranstaltung gibt. Diese am 8. April war der Saisonauftakt für „Mitte in der Pampa“, dem internationalen Kunstwettbewerb „Kunst im Untergrund“ 2016/2017, der entlang der U-Bahnlinie U5 mit künstlerischen Mitteln der Frage nachgeht, wie sich politische Entscheidungen in „Mitte“ räumlich und sozial in der „Pampa“ auswirken. Diese Frage in Bezug auf die IGA und den Umgang mit Grünflächen im Bezirk wurde anschließen mit verschiedenen Akteuren in einer Gesprächsrunde diskutiert.
Weitere Aktionen gibt es am 3. Juni, 15 Uhr, wenn der IGA-Zaun Markierungen erhält. Treffpunkt dazu ist der Pavillon. Ellen Nonnenmacher und Eva Randelshofer laden am 1. Juli, 15 Uhr, zum Samen sammeln auf dem IGA-Gelände ein. Treffpunkt ist das neue bezirkliche Informationszentrum an der Hellersdorfer Straße 159. Da es begrenzte Plätze gibt, bitte anmelden unter E-Mail: wildwuchsundordnung@web.de. Am 22. Juli werden Markierungen in der Stadtlandschaft in Mitte gesetzt. Treffpunkt dafür ist wieder der Pavillon um 15 Uhr. Am 7. Oktober werden alle Aktionen ab 19 Uhr in der station urbaner kulturen am Boulevard Kastanienallee präsentiert.
RF